DRUMMER & COMPOSER
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Interview in Drums und Percussion (2002)

Daniel Messina Der ideale Duettpartner

Text & Fotos:
Heinz Kronberger

Seit knapp sechs Jahren nun arbeitet Daniel Messina bereits mit Barbara Dennerlein, aber auf Studioalben war er in dieser Zeit nur selten zu finden. Dazu holte man sich immer große Namen wie Dennis Chambers oder Jeff »Tain«Watts ins Studio, die dann lediglich die Produktion einspielten. Auf der letzten Platte nun ist er endlich auch vertreten und agiert hier mit Barbara Dennerlein sogar im Duett, einer recht intensiven Form des Zusammenspiels.

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Wie kam es zu diesem eigentlich längst fälligen Schritt?
»Ich glaube, die Zeit war einfach reif für dieses Album. In den letzten beiden Jahren haben wir immer mehr Konzerte zu Zweit gespielt - und da ist die Interaktion auf der Bühne natürlich stark gewachsen. Für mich ging daher ein Traum in Erfüllung, als Barbara mich fragte, ob ich mit ihr ein solches Album einspielen würde, und sie ließ mir dann auch wirklich viele Freiheiten. Unser Zusammenspiel ist in den sechs Jahren auf Tournee sehr intensiv geworden, und durch die wechselnden Besetzungen wurde ihr wohl auch klar, dass ein Duo die zur Zeit beste Form wäre, ihre Musik zu interpretieren. Alle vorherigen Alben hatte sie ja mit anderen Musikern eingespielt, aber eben anscheinend nie diese Intensität erreicht, die mehrere hundert Konzerte über die Jahre erbracht haben.«

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Wie habt Ihr das Album aufgenommen, wurde es mehr oder weniger live eingespielt - so klingen nämlich einzelne Parts!?
»Genau, denn das war die Grundidee: ein Album wie ein Konzert zu produzieren. Wir haben unsere Instrumente gegenüberliegend aufgebaut, damit wir uns gut sehen konnten und dann die meisten Stücke in einem Guss durchgespielt. Manchmal waren es mehrere Takes, aus denen dann der beste ausgewählt wurde, und einige waren auch First Takes, die einfach ungeheuer lebendig und offen klangen. An Overdubs gab es daher letztendlich nur noch ganz wenig, meist im Percussion-Bereich, zur Ergänzung - und das warŒs auch schon. Viele Percussion-Parts habe ich schon bei der ersten Aufnahme mit eingespielt, so wie ich es auch beim Konzert tue. Die Instrumente sind immer rechts und links neben mir postiert, so dass ich sie leicht erreiche. Ich spiele dann mit einer Hand am Set weiter und mit der anderen setze ich die Percussion ein. Häufig sind es ja auch nur Sounds, weitere Klangfarben, die ich einbringe, um ein Stück etwas aufzufrischen - und dazu braucht man keine Overdubs. Die Platte ist im Prinzip also schon fast ein Livealbum, nur eben ohne Publikum im Studio produziert.«

Was einem bei Euren Konzerten auffällt, ist Deine Art, mit Rhythmen zu spielen. Du streckst und dehnst sie und lässt z.B. einen normalen Swing dadurch ganz anders klingen, verformst und verfremdest ihn, ohne natürlich das Timing zu vernachlässigen bzw. die »Eins« für Barbara oder andere Mitmusiker aus dem Auge zu verlieren. Ist das etwas, was Deinen persönlichen Stil ausmacht, was ihn prägt?
»Mit Sicherheit, da ich ständig versuche, neue Wege zu gehen, etwas zu lernen und eben auch das auszudrücken, was ich gerade fühle. Ich fände es langweilig, nur den Backbeater zu geben, das Timing zu halten und sonst nichts. Daher höre ich immer, was meine Mitmusiker - oder in dem Fall Barbara -gerade spielt und versuche, darauf einzugehen. Das kann synchron geschehen, aber auch schon mal sehr konträr sein. Wenn sie z.B. ein Solo spielt, versuche ich, ihrer Dynamik zu folgen oder sie anzuspornen und zu fordern. Dabei riskiere ich natürlich manchmal recht viel, aber genau das macht die Sache dann auch wieder besonders spannend. Insbesondere, wenn man sich so gut kennt wie wir beide, ist da schon einiges möglich. Da gibt es wahrhaft magische Momente im Spiel, die ich nicht missen möchte. Ich gehe dann von den normalen Rhythmen weg, dehne und strecke sie, so gut es geht, oder nutze andere Klangbilder, indem ich etwas mit der Percussion hinzufüge. Es gibt unendliche Möglichkeiten, so etwas zu tun und sein persönliches Spiel interessanter, abwechslungsreicher zu machen. Schließlich wäre es doch langweilig, wenn Konzerte immer gleichförmig abliefen - und daher gebe ich mir die größtmögliche Mühe, es so spannend wie möglich zu gestalten.«

Was bedeutet, Du riskierst viel?
»Es bedeutet nichts anderes, als dass ich beim Improvisieren häufig meine Grenzen austeste. Für mich ist immer die Musik des Moments wichtig - und morgen ist dann wieder ein neues Konzert, vielleicht mit der gleichen Songauswahl, aber eben einer anderen Intensität. Man lernt ja auch durch seine Fehler - und wenn mal etwas schief geht, muss man es möglichst geschickt ausbaden. In Argentinien sagt man, man soll seine Fehler positiv nutzen. Vinnie Colaiuta ist in solchen Dingen ganz groß. Bei ihm weißt du nachher nicht mehr, ob er jetzt einen Fehler gemacht hat oder z.B. das Fill bewusst so gespielt hat. Ich denke, das fördert auch die Kreativität, wenn man an seine Grenzen oder darüber hinaus geht, es pusht einen als Musiker: so hat man ständig neue Ziele und bleibt frisch.«

Wie kam es dazu, dass Du eigene CDs produziert, ein Solo-Album sowie eines mit Deiner Band veröffentlicht hast?
»Also, das erste Soloalbum war eigentlich dazu gedacht, etwas in der Hand zu haben, um mich zu verkaufen. Damit habe ich auch meinen Kontakt zu Barbara geknüpft, und insofern hat es wohl seinen Zweck erfüllt. Was die CD mit der Daniel Messina Band betrifft, das ist mein ureigenes Bandprojekt, mit dem ich mindestens einmal im Monat einen Gig absolviere, wenn es der Terminkalender erlaubt. Da verwirkliche ich dann meine eigene Musik, die mit der von Barbara nichts mehr zu tun hat, sondern wirklich total anders klingt.«

Auf dem Album spielst Du einige recht ungewöhnliche Rhythmen. Insbesonder zu Stücken, wo man irgendetwas anderes erwarten würde vom Schlagzeug. Wo liegen da die Hintergründe?
»Was Du meinst, sind wahrscheinlich die traditionellen argentinischen Rhythmen, wie ich sie z.B. mit Besen auf der Snare eingesetzt habe. Das ist im Prinzip ein 3/4 Takt, aber auch die Musiker in meiner Band fanden irgendwie nie zur Eins, empfanden sie anders als ich. Das hat mich natürlich angespornt, noch mehr solcher Rhythmen zu verwenden. Aus Argentinien kommt schließlich noch mehr als der Tango. Es gibt einige 2/4 oder 3/4 Rhythmen, die nicht sonderlich bekannt, aber hochinteressant sind und die Stimmung eines Songs total verändern können. Dino Saluzzi arbeitet häufig mit solchen Rhythmen, und auch eine jüngere Generation von argentinischen Musikern nutzt sie wieder öfter. Es gibt da eine große Vielzahl an Poly-Rhythmik, die gerade für das Schlagzeug enorm vielseitig und sehr kreativ verwendbar ist. Auf der nächsten CD wird es dazu mit Sicherheit einige gute Beispiele geben, und darauf freue ich mich jetzt schon.«

Wie komponierst Du Deine Stücke, am Piano oder vielleicht mit Hilfe eines Computers?
»In der Regel schreibe ich mit Hilfe der Gitarre meine Songs auf. Ich habe während des Studiums auch Harmonielehre absolviert, hatte aber nie das Geld für ein Piano - und daher griff ich zur Gitarre. Die spiele ich genauso lange wie das Schlagzeug, habe mich hier aber nie entwickelt. Zur Umsetzung von Akkorden reicht es jedoch, und manche Dinge gebe ich dann auch schon mal in den Computer ein, was zum Beispiel Keyboard-Sounds betrifft. Viele meiner Stücke kommen aus dem Bauch heraus - und da sind mir dann die Gitarre und meine Notenkenntnisse schon eine große Hilfe. Da ich ja auch am Drum Department in Stuttgart unterrichte, empfehle ich meinen Schülern immer, ein Melodie-Instrument zu erlernen. Das muss nicht so intensiv wie das Schlagzeug studiert werden, aber etwas über Harmonien zu wissen und umsetzen zu können, ist schon sehr hilfreich. Wenn Barbara etwas komponiert hat, gibt sie mir auch immer ihre Noten - und mit denen erarbeite ich dann meine Parts. Ich suche mir die Harmonien heraus und überlege, was ich dazu trommeln könnte. Ich kann so auch besser an der Musik mitarbeiten, mich einmischen, da ich weiß, worum es geht und diese Sprache verstehe. Ohne die Noten und Harmoniekenntnisse wäre ich sicherlich schon häufiger aufgeschmissen gewesen, so wie in meinen Anfangstagen hier in Deutschland.«

Wie bist Du denn überhaupt zum Trommeln gekommen, war Deine Familie in Argentinien musikalisch vorbelastet?
»In gewisser Weise schon. Ich habe zwei ältere Brüder, die Gitarre und Schlagzeug spielten - und daher hatten wir zu Hause auch ein Set. Mit sechs Jahren habe ich dann auf dem Set meines Bruders getrommelt, von ihm die ersten Grooves gelernt und dann immer zu Platten geübt. So bin ich schon recht früh mit der Musik, den Beatles, CCR usw. aufgewachsen. Nach dem Abi wollte ich dann Musik in Buenos Aires studieren, hatte meinen ersten Lehrer, der mich sehr intensiv vorbereitet hat, mit der Moeller-Technik usw., was natürlich bis heute sehr hilfreich ist. Durch Barbara habe ich in den letzten Jahren so viele tolle Musiker auf der ganzen Welt kennen gelernt, allein das ist schon wie ein Traum, den ich so vorher nicht zu träumen gewagt hätte. Daher bin ich einfach glücklich über den Schritt von damals und dass ich hier gelandet bin.«

Wie sehen denn Deine konkreten Pläne für die Zukunft aus?

»Erst einmal läuft die volle Konzentration auf die Konzerte zur aktuellen CD, und da sind wir zur Zeit schon bis Mitte 2002 ausgebucht. Zwischendrin entstehen auch hin und wieder neue Stücke, die wir dann bei Konzerten ausprobieren - und das wäre die Arbeit mit Barbara. Dann habe ich ein Album mit dem Gitarristen von Astor Piazzolla eingespielt, auf dem ich nur eine argentinische Handtrommel und Percussion spiele und die jetzt am Markt sein müsste. Mit meiner Band möchte ich im Frühjahr 2002 dann ebenfalls ein weiteres Album aufnehmen, an dessen Stücken ich bereits arbeite.«

Equipment:
DW Drums, Zildjian Cymbals, LP Percussion sowie selbstgebaute Instrumente oder auch traditionelle argentinische Percussion-Instrumente.

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